OpenAI hat kürzlich den nächsten großen Sprung in der KI-Bildgenerierung gemacht: Die vierte Generation des Bildgenerators ist da (Dall-E wird wohl nicht weitergeführt) – nahtlos integriert in ChatGPT 4.0. Was zunächst wie ein technisches Update klingt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als echter Gamechanger für die gesamte Kreativbranche. Und auch Midjourney hat vor wenigen Tagen V.7 veröffentlicht – verbesserte Kohärenz, noch realistischerer Output, einen Draftmode und eine Sprachsteuerung zeichnen V7 fürs Erste aus.
Ich stelle hier bewusst eine steile These auf: Wir sind die letzte (Sub-)Generation von Medienschaffenden, die noch ohne KI arbeiten.
Der Wandel ist nicht mehr hypothetisch – er ist real, sichtbar und schneller, als viele von uns wahrhaben wollen. Maschinell generierte Inhalte sind längst dabei, ihren Platz im kreativen Alltag zu finden – und sie fordern uns heraus, unsere Rolle in dieser neuen Realität zu überdenken.
Die neue Technologie: 4o Image Generation
Die neue Bildgenerierungsfunktion in ChatGPT 4.0 „4o Image Generation“ eröffnet eine völlig neue Dimension an kreativen Einsatzmöglichkeiten – qualitativ auf einem Level, das mich buchstäblich über Nacht überrascht hat. Was früher nur mit aufwendigen Workflows, mehreren Tools und viel Zeit umsetzbar war, ist jetzt in wenigen Sekunden möglich – direkt aus einer Textanfrage heraus.
Was die neue Technologie von OpenAI dabei so besonders macht, ist nicht nur die Fähigkeit, Bilder aus Trainingsdaten zu generieren – also aus Fotos oder Videos. Vielmehr basiert die 4.0 Image Generation auf einem tieferen, semantischen Weltverständnis. Sie verknüpft Bildwissen mit Sprachmodellen, Textverständnis und allgemeinen Informationen über unsere Welt. Dadurch entsteht ein ganz neuer Zugang zur Bildproduktion: Die KI „versteht“ nicht nur, was du beschreibst – sie interpretiert es im Kontext. Das sorgt für erstaunlich präzise Ergebnisse, bei gleichzeitig deutlich reduziertem Aufwand in der Eingabe. Es ist aber nicht perfekt, auf die Probleme gehe ich weiter unten noch ein.
Die KI, die wir gerade heute nutzen können, ist immer auch die schlechteste, die wir je haben werden!
Die kreativen Optionen sind nahezu grenzenlos und lassen sich problemlos in bestehende Produktionsprozesse integrieren. Ob konsistente Charaktere für animierte Inhalte, visuelle Storyboards, auf den Buchstaben genaue Texte, oder dynamische Szenenentwürfe – die Technologie liefert in beeindruckender Geschwindigkeit Ergebnisse, die sofort weiterverwendbar sind. Hier ein paar konkrete Anwendungsfelder, die ich exemplarisch zeigen möchte:
- Bilder in der Werbung und Produktfotografie
- Typografie & visuelle Textgestaltung
- Assets, Mockup & Moodbards
- Szenenumwandlungen & visuelle Konzeptskizzen
Prompt: Bringe das Glas mit Pilzen auf ein Bild für eine Werbekampagne. Das Glas steht im Wald auf einem abgesägten Holzstamm. Im Hintergrund ist der Wald zu erkennen. Auf das Glas ist eine Art Spotlight und um das Glas herum liegen frische Pilze. Der Look ist insgesamt frisch und natürlich. Das Format im 3:4.
Bild 1 Original-Bild (chentusoul, pixabay.de) / Bild 2 Prompt: Mache alle blauen Elemente im Kleid in gelb. Alles andere bleibt extakt genau so.
Prompt: Eine dynamische Typografie Komposition mit den Worten "Summer E-Bike Feeling". Achte auf eine gute Gesamtgestaltung und wähle eine passende Schrift.
Prompt: Erstelle ein Bild mit einem Moodboard, welches sich um folgendes Thema handelt. Ich möchte für eine fotografische Serie Minimalismus in der Stadt fotografieren und suche hierfür verschiedene Moodboards mit verschiedenen Farben, Kontrasten und Bildsprachen. Bitte erstelle mir doch mal ein Moodboard mit mindestens neun verschiedenen Ideen.
Bild 1 Original / Bild 2 Prompt: diese Szene aus der Perspektive schräg-oben
Die letzte (Sub-)Generation: Auswirkungen auf Medienschaffende
Betroffen von dieser Entwicklung sind alle, die im kreativen Bereich arbeiten – ganz gleich ob Grafik-, Video- oder Fotodesign. Aber auch Fotografen selbst, Medienhäuser, Agenturen und Studios erleben gerade eine neue Form der Demokratisierung. Inhalte, für die es früher jahrelange Erfahrung und tiefes Fachwissen brauchte, können heute durch einfache Texteingaben erzeugt werden – und das auf erstaunlich hohem Niveau.
Revolution der Werkzeuge
Was wir derzeit erleben, ist nicht weniger als eine Revolution unserer kreativen Werkzeuge. Die neuen Bildgeneratoren – allen voran die Technologie von OpenAI – verändern nicht nur die Ergebnisse, sondern auch den gesamten kreativen Prozess. Tools, die einst spezialisierte Skills erforderten, werden jetzt so intuitiv, dass sie sich in ganz normalen Gesprächen bedienen lassen.
Für Agenturen und Kreativschaffende bedeutet das einen fundamentalen Wandel: Workflows werden radikal vereinfacht und beschleunigt. Erste Ideen, Skizzen oder Moodboards lassen sich mit wenigen Prompts direkt generieren – ganz ohne stundenlange Vorarbeit. Auf dieser Basis können hochwertige Assets gezielt weiterentwickelt und in ihrer stilistischen Richtung verfeinert werden. Was früher viele Ressourcen und mehrere Abstimmungsschleifen brauchte, kann heute in kürzester Zeit umgesetzt werden – oft sogar im Alleingang.
Diese Beschleunigung in der Content-Produktion wird sich auf alle Bereiche der Kreativbranche auswirken. Wer jetzt nicht beginnt, diese neuen Tools aktiv in den eigenen Workflow zu integrieren, riskiert, in der Geschwindigkeit und Qualität abgehängt zu werden.
Denn wenn gute Ergebnisse ohne (größeres) Expertenwissen möglich sind, geraten traditionelle Berufsbilder ins Wanken. Der wirtschaftliche Druck steigt, Stellen könnten rationalisiert werden, Kreative sehen sich zunehmend ersetzbar – zumindest auf den ersten Blick. Und wer glaubt, das alles sei nur ein kurzlebiger Hype, verkennt die Tiefe des Wandels. Künstliche Intelligenz ist kein „nice to have“ mehr – sie wird zum integralen Bestandteil der kreativen Tool-Welt.
Kompetenzwandel
Wir stehen an einem Wendepunkt: Der Kompetenzwandel in der Medien- und Kreativbranche ist nicht mehr theoretisch – er ist längst im Gange. Wer heute in diesem Feld arbeitet, muss sich auf neue Anforderungen einstellen. Es reicht nicht mehr, nur kreativ zu sein oder klassische Tools zu beherrschen. Jetzt geht es darum, die neuen KI-Werkzeuge nicht nur zu verstehen, sondern sie gezielt, verantwortungsvoll und kritisch einsetzen zu können.
Dazu gehört technisches Know-how – vor allem im Umgang mit Prompting –, aber auch die Fähigkeit, Ergebnisse einzuordnen, zu verifizieren und ethisch zu reflektieren. Denn die Grenze zwischen authentisch und generiert verschwimmt zunehmend. In der Medienwelt – und vor allem im Internet – ist oft nicht mehr erkennbar, ob ein Bild real, manipuliert oder vollständig künstlich erzeugt wurde. Das birgt Risiken: für die Glaubwürdigkeit, für die Kommunikation und für die gesellschaftliche Verantwortung von Medienschaffenden.
Deshalb ist es essenziell, dass wir nicht nur mit der Technik mithalten, sondern auch die Kompetenz entwickeln, mit ihr verantwortungsvoll umzugehen.
Die Ästhetik der Disruption
Lange Zeit wurden KI-generierte Bilder und Videos als kitschig oder künstlich abgetan – visuell auffällig, aber klar als „nicht echt“ erkennbar. Doch dieser Eindruck verändert sich zunehmend. Nicht nur, weil die Bildqualität enorm gestiegen ist, sondern weil wir realisieren: Es geht nicht immer um Realismus. Es geht um Wirkung.
„Es geht nicht um Realität – es geht um Wirkung. Und genau darin liegt die eigentliche Macht generativer Bilder.“
Und das war in der Werbung schon immer so. Alles, was gestaltet wird, hat eine Wirkung. Und genau diese Wirkung – nicht der Wahrheitsgehalt – ist oft entscheidend. Wenn generative KI also gezielt Emotionen auslöst, mit überzeichneten Bildern spielt oder Stimmungen ins Extrem treibt, dann folgt das einem Prinzip, das wir längst kennen: Performance durch Aufmerksamkeit. Was das mit unserer Wahrnehmung macht – und wie es journalistische Standards beeinflusst –, ist eine offene, aber hochrelevante Frage.
Deshalb ist es wichtig, an dieser Stelle innezuhalten. Denn mit jeder neuen Technologie wächst auch die Verantwortung. Besonders im digitalen Raum sollten wir uns bewusst machen: Jeder Inhalt hat eine Absicht. Und wer Inhalte konsumiert – ob real, generiert oder dazwischen – muss lernen zu erkennen, welchen Effekt sie erzielen sollen und wie sie unser Denken beeinflussen. Es geht nicht nur um Einzelne. Es geht um kollektive Wahrnehmung – und damit um gesellschaftliche Verantwortung.
Wahrheit und Verifikation
So beeindruckend die Fortschritte generativer KI auch sind – eines dürfen wir nie vergessen: Es bleibt eine Simulation. Was uns Bildgeneratoren wie der von OpenAI zeigen, ist keine objektive Realität, sondern ein künstlich erzeugtes Abbild davon. Die Technologie erzeugt Bilder, die glaubhaft wirken – aber nicht zwingend wahr sind.
Ein Beispiel: Infografiken oder Textbausteine, die aus KI-Bildgeneratoren stammen, sehen auf den ersten Blick professionell aus. Doch der Inhalt dahinter ist oft reines Fantasieprodukt – halluziniert, nicht geprüft, nicht belastbar. Genau deshalb braucht es eine neue Form der Medienkompetenz. Eine, die nicht nur die Tools beherrscht, sondern auch hinterfragt, überprüft und einordnet.
Wahrheit entsteht nicht automatisch durch Ästhetik. Sie erfordert nach wie vor eine Qualitätskette: Menschenverstand, Intuition, Faktenprüfung auf Basis echter Quellen – und vor allem ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein bei der Erstellung von Inhalten. Nur so können wir vermeiden, dass KI-basierte Bilder (oder Grafiken) zu einer gefährlichen Verzerrung unserer Wahrnehmung führen.
Urheberrecht und Verantwortung der Plattformen
Mit dem Fortschritt der generativen KI rückt ein bisher ungelöstes Thema noch stärker in den Fokus: das Urheberrecht. Trotz Regulierungsvorhaben wie dem EU AI Act, dem Code of Practice oder der Data-Mining Debatte herrscht nach wie vor große Unsicherheit. Wer schützt das geistige Eigentum von Künstler*innen und Kreativschaffenden? Wie gelangen ihre Werke in Trainingsdaten? Und was ist mit all jenen, die bereits integriert wurden, ohne je gefragt worden zu sein?
Das Urheberrecht in der Welt der KI wirkt derzeit wie ein rechtlicher Wilder Westen. Und während Technologien immer präziser und durchdringender werden, hinkt die rechtliche Klarheit weit hinterher. Es fehlt an Transparenz, Verbindlichkeit – und nicht zuletzt an Fairness.
Damit sind nicht nur Gesetzgeber gefragt. Auch Unternehmen und Plattformen tragen eine zentrale Verantwortung. Entwickler wie OpenAI, Midjourney oder große Bildarchive wie Getty Images – sie alle müssen sich klar positionieren. Eine verpflichtende Kennzeichnung KI-generierter Inhalte sollte Standard sein. Ebenso wie die Offenlegung, welche Daten verwendet wurden und wie diese überprüft wurden.
Die Zeit des spielerischen Umgangs mit KI ist vorbei. Jetzt ist der Moment gekommen, in dem wir als Gesellschaft – und als Branche – entscheiden müssen, wie wir mit diesen Technologien umgehen wollen. Was für Werte wir ihnen mitgeben. Und wie wir dafür sorgen, dass bei all der Innovation der menschliche Aspekt nicht auf der Strecke bleibt.
Handlungsoptionen: Das solltest du jetzt tun!
Umso wichtiger ist es, jetzt aktiv zu werden – und sich nicht nur mit der Technologie zu beschäftigen, sondern sie gezielt in den eigenen Arbeitsalltag zu integrieren. Ich richte mich hier besonders an die „letzte Generation“ der Medienschaffenden, die noch ohne KI gearbeitet hat – und jetzt vor der Entscheidung steht, ob sie mitgeht oder zurückbleibt.
Mein Appell ist klar:
- Lerne die Tools kennen. Verstehe, wie KI funktioniert, wo sie dir Arbeit abnimmt – und wo du ihr überlegen bleibst.
- Finde deine Nische. Nutze deine Erfahrung, deine Ausbildung, dein Bauchgefühl – und entwickle dich weiter. Dort, wo Menschlichkeit, Stil und Haltung gefragt sind, wirst du gebraucht.
- Setze auf Authentizität. Menschen kaufen von Menschen. Und auch in Zukunft werden sie das tun – nur eben von jenen, die KI effizient, kreativ und klug einsetzen.
- Entwickle ethische Richtlinien. Achte auf eine korrekte Verifikation und sei dir bewusst, welche Wirkung dein Content hat bzw. haben soll. Auch du trägst einen Teil der Verantwortung.
Denn eines ist sicher: Wer KI nicht als Konkurrenz, sondern als Werkzeug versteht, wird nicht ersetzt – sondern bleibt relevant.