Was ist Weighted Calisthenics und warum ein Wettkampf?
Irgendwie war es nur die logische Weiterentwicklung meiner sportlichen Reise in den vergangenen Jahren. Ich habe hierüber schon in diversen Artikeln geschrieben. Ob es der Beginn meiner Krafttraining-Zeit mit der 90 Tage Challenge nach Mark Laureen war, der Beginn meiner Calisthenics-Reise im heimischen Park, oder das Laufen im Lauf-Mekka Monte Gordo bei einem unserer Laufcamps mit Runnersworld.
Alle Aktivitäten haben eines gemeinsam, sie fordern heraus. Genau darum geht es auch dieses Mal. Für 2025 habe ich mir mindestens einen Weighted Calisthenics-Wettkampf vorgenommen. Es geht dabei um persönliches Wachstum, sowohl mental als auch physisch.
Deshalb möchte ich dir in diesem Artikel davon erzählen, vielleicht motiviert es dich ja, auch einmal etwas Neues auszuprobieren und über dich hinauszuwachsen.
Was Weighted Calisthenics ist, verdeutlicht folgende Metapher auf einfache Weise:
Du kennst das: Ein Sportwagen wird erst richtig getestet, wenn er voll beladen bergauf fahren muss. Genau so funktioniert Weighted Calisthenics – normale Klimmzüge sind wie Stadtverkehr, aber +40 kg Zusatzgewicht? Das ist die Bergstrecke, die zeigt, was wirklich in dir steckt.
Der Sport im Detail
Weighted Calisthenics ist eine Stilrichtung im klassischen Calisthenics. Was Calisthenics genau ist, erfährst du in meinem letzten Update dazu: Meine Calisthenics-Erfahrungen nach 26 Monaten. Grundlegend geht es dabei um vier Bewegungsmuster, diese zu beherrschen und stetig mit Gewicht zu beladen. Es handelt sich also um ein primär maximalkraftorientiertes Training. Das Ziel dabei ist, so viel Zusatzgewicht wie möglich in einer Wiederholung zu bewegen.
Eigentlich ganz einfach. Oder doch nicht?
Die vier erwähnten Übungen sind dabei (Praktischerweise) Basisübungen aus dem allgemeinen Krafttraining und deshalb ideal für jeden – auch für dich.
WEIGHTED CALISTHENICS
Die 4 Hauptübungen erklärt
Was den Sport so besonders macht: Faszination und mentale Stärke
Was mich an der Süddeutschen Meisterschaft in Weighted Calisthenics insgesamt am meisten fasziniert und begeistert hat, ist zum einen die absolute Fairness und Kollegialität unter den Athleten. Obwohl es ein Wettkampf ist, herrscht eine unglaubliche Unterstützung und ein respektvoller Umgang miteinander. Zum anderen ist es die sich zuspitzende Stimmung, die sich im Laufe eines Wettkampftages entwickelt. Ich persönlich fand die Back Squats am Ende extrem nervenaufreibend, da hier die Anforderungen und die Stimmung wirklich am Kochen waren.
Es war auch super spannend zu erleben, wie man von Versuch zu Versuch die Aufregung kontrolliert und wirklich auf den Punkt maximale Leistung abruft. Das hat sich auch in meinen Endergebnissen widergespiegelt, die deutlich über meinen Trainingsleistungen lagen. Es ist faszinierend zu sehen, wie in einem Wettkampf die mentale Einstellung eine so große Veränderung bewirkt und die physische Leistungsbereitschaft steigert. Das ist ein Aspekt, den man im Training nur schwer simulieren kann und der den Reiz dieses Sports für mich noch erhöht.
Meine Vorbereitungen zur Süddeutschen Meisterschaft im Weighted Calisthenics 2025
Die Vorbereitung auf die Süddeutsche Meisterschaft in Weighted Calisthenics war eine intensive Phase, die sich über neun Wochen erstreckte. Das ist auch ein Zeitraum, der in der Regel vollkommen ausreicht, um sich optimal auf solch einen Wettkampf vorzubereiten. Grundsätzlich geht es in diesen Wochen darum, die eigene Leistung stetig zu steigern, um am Wettkampftag auf dem Höhepunkt der Leistungsbereitschaft zu sein und diese dann auch abrufen zu können. Die zuvor beschriebene mentale und geistige Wettkampfstimmung hebt das Ganze zusätzlich noch einmal an.
Darüber hinaus dient die Vorbereitung dazu, die Technik zu verfeinern, Abläufe zu verinnerlichen und den Körper bestmöglich auf den physischen und mentalen Stress des Wettkampfes vorzubereiten.
Ich selbst habe diese neun Wochen nicht alleine geplant, sondern wurde dabei von meinem Coach Robin Stoltze professionell begleitet. Mit ihm zusammen haben wir die Zeit in zwei Blöcke aufgeteilt. Der erste Block konzentrierte sich auf eine allgemeine Leistungsbereitschaft. Hier führten wir die Lifts noch mit relativ hohen Wiederholungszahlen durch, gefolgt von einer Deload-Woche, in der wir bewusst das Trainingsvolumen reduzierten, um dem Körper Erholung zu ermöglichen. Im zweiten Block ging es dann darum, das Training zuzuspitzen: Die Gewichte wurden deutlich erhöht, während wir gleichzeitig die Anzahl der Sätze und Wiederholungen reduzierten. Das Ziel war, im Bereich von ein bis zwei Wiederholungen zu trainieren, um die eine Maximallast-Wiederholung, die du im Wettkampf anstrebst, ideal zu simulieren.
Ein wichtiger Aspekt des Trainings war stets ein gutes Belastungsmanagement. Wir haben hier nach dem RIR-System (Reps In Reserve – Wiederholungen im Reserve) gearbeitet. Dabei geht es darum, die Trainingsermüdung möglichst effizient zu gestalten und in einer Balance zwischen Ermüdung und Regeneration zu bleiben. Gerade im Maximalkrafttraining macht es wenig Sinn, jeden Satz bis an sein absolutes Limit zu gehen. Die Ermüdung wäre einfach zu hoch und die Verletzungsgefahr auf Dauer zu groß. Außerdem kann man durch die gezielte Steuerung der Rehabilitation über die Wochen verteilt sehr gut die Belastung zuspitzen, umso näher am Wettkampftag an seiner vollen Kraft zu liegen.
Im Folgenden findest du eine Zusammenfassung über den Verlauf meines Trainings mit genauen Werten und der jeweiligen Entwicklung. Es ist wichtig zu wissen, dass wir hier über einen Zeitraum von acht Wochen sprechen und man seine Erwartungen realistisch einschätzen muss. Daher ist der erreichte Fortschritt unter normalen, realistischen Bedingungen als sehr gut zu bewerten. Denn neben der Berufstätigkeit und allen privaten Dingen ist es entscheidend, das Training sinnvoll zu integrieren – das unterscheidet sich natürlich erheblich von einem Profisportler, der sich voll und ganz darauf konzentrieren kann.
SÜDDETUSCHE MEISTERSCHAFT 2025 – VORBEREITUNGEN
8 Wochen Wettkampfvorbereitung – Trainingsfortschritt
Und um es noch konkreter zu machen, hier ein Blick auf meine Wettkampfergebnisse – es ist ja immer eine Momentaufnahme, aber ich bin stolz auf den Prozess:
- Muscle-up: Im dritten Versuch gelang mir ein Muscle-up mit +5 kg Zusatzgewicht. Das hatte ich im Training in keinster Weise erreicht – hier war mein primäres Ziel überhaupt einen sauberen Muscle-up zu schaffen. Entsprechend positiv überrascht und richtig stolz war ich auf diese Leistung!
- Pull-up: Hier schaffte ich im zweiten Versuch 36,5 kg. Der dritte Versuch mit 41,25 kg wurde leider aus technischen Gründen als Fehlversuch gewertet, da mein Kinn nur wenige Millimeter unterhalb der Stange war. Das war etwas ärgerlich, denn hätte ich meinen Hals etwas mehr gestreckt, wäre der Versuch vielleicht sogar gültig gewesen.
- Dip: Der Dip lief überraschend sauber! Ich drückte im ersten Versuch 40 kg, im zweiten 45 kg und im dritten erfolgreich 50 kg. Auch hier war es eine deutliche Steigerung im Vergleich zum Training, was mich sehr stolz gemacht hat.
- Back Squat: Die Back Squats waren von Anfang an eine der schwierigeren Übungen für mich, da die technische Handhabung hier einfach komplexer ist. Trotzdem bin ich mit meinem Ergebnis sehr zufrieden. Im zweiten Versuch drückte ich 125 kg. Die 130 kg im dritten Versuch waren leider aufgrund der fehlenden Tiefe in der Hüfte ungültig. Hier ist insgesamt aber noch sehr viel Potenzial, da ich im Wettkampf die 31 kg eigentlich problemlos nach oben gedrückt habe.
So läuft ein Weighted Calisthenicis Wettkampf ab
Ein Weighted Calisthenics Wettkampf ist vom Ablauf her relativ komplex und vor allem sehr langwierig, was ich bei meiner ersten Competition selbst erfahren durfte. So ein Wettkampf besteht aus sogenannten Flights, bei denen die Athleten in Gewichtsklassen gruppiert werden. Jede dieser Gruppen durchläuft dann alle vier Übungen nacheinander. Pro Übung hast du drei Versuche, wobei die Gewichte immer nur nach oben angepasst werden dürfen. Das macht das Ganze auch strategisch sehr spannend, da du dir gut überlegen musst, wie du in einen „Lift“ – so nennt man eine Übung im Wettkampf – einsteigst.
Bevor die Lifts starten, gibt es ein allgemeines Einwiegen und einen kurzen Equipment-Check. Hier ist es superwichtig, dass du zu diesem Zeitpunkt deine Gewichtsklasse einhältst und nur autorisiertes Equipment wie Gürtel und Bandagen nutzt. In meinem Fall war ich in der Gewichtsklasse von 68-73 kg und kam am späten Nachmittag an die Reihe. In meiner Gruppe waren acht Mitstreiter. Der erste Lift ist übrigens immer der Muscle-up, da er die höchste Komplexität hat, gefolgt vom Pull-up, Dip und zuletzt der Back Squat.
Für mich war es ja mein erster Wettkampf und aus diesem Grund war ich super nervös. Es war wirklich spannend zu sehen, wie ich komplett in einem gewissen Tunnel verfallen bin und um mich herum überhaupt nichts mehr wahrgenommen habe. Besonders schön war auch, dass die Judges und Ausrichter ganz klar erkannt haben, dass es mein erster Wettkampf war, und immer wieder motivierende und verständnisvolle Worte gefallen sind. Auch als ich bei meinem 5 kg Muscle-up das Gewicht einfach mitgenommen habe, weil ich es in dem Moment schlichtweg vergessen hatte, war das schon ein kleiner, lustiger und amüsanter Moment.
Wenn dein Flight startet, ist das richtige Timing beim Warm-up entscheidend. Du willst nicht zu viel Zeit zwischen deinem letzten Aufwärmsatz und dem eigentlichen Wettkampfversuch verstreichen lassen. In der Aufwärmzone kann es da schon mal eng werden, da es immer davon abhängt, wie viele Trainingsgeräte die Location zur Verfügung stellt. Bei der Süddeutschen Meisterschaft in Weighted Calisthenics, die in München stattfand, bot die CrossFit Box glücklicherweise eine sehr gute Ausstattung und viele Geräte. Das war also überhaupt kein Problem.
Wenn es dann zum eigentlichen Versuch kommt, gibt es in der Regel drei Kampfrichter (Judges), die den Lift genau bewerten. Je nach Übung ist es superwichtig, die genauen Technikvorgaben umzusetzen. Vor jedem Start und am Ende des Lifts gibt es ein Signal, das du unbedingt beachten musst. Diese Signale gewährleisten Fairness und gleiche Rahmenbedingungen für alle Athleten. Wenn zwei Judges deinen Versuch als gültig bewerten, dann zählt er auch.
Am Ende werden die besten gültigen Versuche aller vier Lifts zusammengerechnet und ergeben ein Total. Dieses Total ist letztendlich der Wert, der deine Platzierung ausmacht. Für mich dauerte der gesamte Wettkampf viereinhalb Stunden. Das kann, je nachdem zu welcher Tageszeit du startest, eine echte Herausforderung für die Konzentration sein. Eine gute Versorgung mit Verpflegung solltest du daher auf jeden Fall beachten.
Learnings & Ausblick: Mehr als nur Gewichte heben
Ich habe in der gesamten Vorbereitungszeit und auch am Wettkampftag selbst unheimlich viel über mich gelernt. Vor allem ging es darum, meine Grenzen auszuloten, am Ball zu bleiben, etwas durchzuziehen und einfach an mich selbst zu glauben. Ich denke, das ist völlig unabhängig von meinem Ergebnis das größte Learning, das sich auch auf andere Bereiche im Leben übertragen lässt. Gerade im Training ist es wichtig, deinem Trainingsplan treu zu bleiben und nicht ständig zu wechseln, sondern dich auf eine Sache zu fokussieren und diese dann über längere Zeit zu verfolgen. Das sorgt einfach dafür, dass sich die Ergebnisse konsequent einstellen und sich dementsprechend automatisch positive Leistungen zeigen werden. Am Ball zu bleiben und dein Ziel zu verfolgen, bringt dich an sich schon weiter. Es geht also, wie so oft, um den Weg – weniger um das Ziel.
Deshalb kann ich dir, wenn du diesen Artikel liest, nur empfehlen, auch einmal einen Wettkampf auszuprobieren. Du findest sicher einen Sport, der dich interessiert, und wenn Weighted Calisthenics das ist, dann kann ich dir nur sagen: Es lohnt sich auf jeden Fall!
Meine nächsten Ziele sind auf jeden Fall die Teilnahme an einem zweiten Wettkampf. Das wird sehr wahrscheinlich noch in diesem Jahr passieren. Hier möchte ich vor allem meine Werte verbessern, aber auch noch mehr in das Community-Leben eintauchen und den Spaß am Sport mit anderen teilen. Ich freue mich aber auch schon jetzt auf die Sommerphase, um wieder ganz locker und frei im Calisthenics Park trainieren zu können. Hier einfach mit Leuten und anderen Athleten in Kontakt zu kommen, ist eine große Bereicherung und wertet meinen Trainings- und Lifestyle auf jeden Fall auf.
An dieser Stelle auch noch einmal ein großes, dickes Danke an meinen Coach Robin. Er war nicht nur am Wettkampftag selbst stets präsent und hat den Überblick behalten, sondern begleitet mich mittlerweile seit fast einem Jahr und hilft mir dabei, die richtige Balance zwischen Ego, realistischer Einschätzung und der korrekten Ausführung des Trainings zu finden.
Bist du jetzt inspiriert, selbst die Welt des Weighted Calisthenics oder eines anderen Sports zu entdecken? Dann zögere nicht! Schaue in deinem lokalen Fitnessstudio oder Calisthenics Park vorbei und informiere dich über Trainingsmöglichkeiten. Oft gibt es dort schon Communities, die dich mit offenen Armen empfangen. Wenn du noch mehr wissen möchtest oder dich austauschen willst, findest du online zahlreiche Ressourcen und Gruppen. Auch der Deutsche Streetlifting und Calisthenics Verband (DCSV) ist eine gute Anlaufstelle!
Ich wünsche dir viel Erfolg und „gute Gains“ 🙂